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Zeitarbeit in der Gastronomie: Arbeitnehmerüberlassung
- 1.Was muss ich zur vertraglichen Konstellation wissen?
- 2.Welche aktuellen gesetzlichen Veränderungen gibt es im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung?
- 3.Doch was sind die konkreten Motive und Anwendungsbeispiele der Arbeitnehmerüberlassung in der Gastronomie und Hotellerie?
Die Gastronomie klagt schon lange über Fachkräftemangel und die Schwierigkeiten, fähige Mitarbeiter zu finden. Unter Zeitdruck greifen viele Gastronomen auf Aushilfen von Zeitarbeitsfirmen zurück und setzen damit auf die Arbeitnehmerüberlassung. Von einer Arbeitnehmerüberlassung spricht man, wenn Angestellte eines Arbeitgebers einem fremden Unternehmen zeitweise und entgeltlich überlassen werden. Bekannter sind die Bezeichnungen Leiharbeit, Zeitarbeit oder Personalleasing.
Wir wollen in diesem Blogbeitrag das Thema unter die Lupe nehmen und Stolpersteine sowie Potenziale für das Gastgewerbe aufzeigen… Dafür befassen wir uns heute mit den Basics rund um das Thema Arbeitnehmerüberlassung und einem Expertenstatement und Erfahrungsberichten aus der Gastronomie.
Was muss ich zur vertraglichen Konstellation wissen?
Der Leiharbeitnehmer hat einen klassischen Arbeitsvertrag im Hause der Zeitarbeitsfirma. Seine eigentliche Arbeitsleistung erbringt der Leiharbeitnehmer aber in einem fremden Betrieb, beim Entleiher bzw. dem Kunden seines Arbeitgebers. Zwischen Entleiher (bspw. einem Gastronomiebetrieb, der dringend eine Aushilfe sucht) und Verleiher (bspw. einer Zeitarbeitsfirma) kommt ein sogenannter Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zustande. Dieser Arbeitnehmerüberlassungsvertrag überträgt das Weisungsrecht (oder auch Direktionsrecht) des Arbeitgebers auf den Entleiher. Somit kann dieser den Leiharbeitnehmer in seinem Betrieb einsetzen, ihm Anweisung jedweder Art geben und ihn im Dienstplan ebenfalls bestimmten Arbeitsbereichen und Schichten zuteilen. Die Ahndung von beispielsweise weisungs- oder pflichtwidrigem Verhalten verbleibt beim Verleiher. Kurzum: Es ist von Vorteil, einen guten Draht zur Zeitarbeitsfirma zu haben, um auf mögliche Konfliktmomente adäquat reagieren zu können.
Beispiel: In Dimitris Taverna ist der Koch langfristig ausgefallen. Da Dimitri keinen Koch am örtlichen Arbeitsmarkt findet, nimmt er Kontakt mit der GastroAÜ GmbH auf. Diese hat einen griechischen Koch angestellt, der in der Taverna tätig wird. Seinen Vertrag und alle damit verbundenen Themen hat der Koch aber bei der GastroAÜ GmbH. Ausschließlich das aus dem Anstellungsverhältnis bestehende Weisungsrecht wird auf die Taverna übertragen, damit Dimitri dem Koch Anweisungen geben kann.
Der Verleiher übernimmt keine Haftung für die Qualität der geleisteten Arbeit, sondern stellt lediglich die Arbeitskraft zur Verfügung. Damit geht man gewissermaßen auch ein Risiko ein, allerdings gibt es da ebenfalls Kündigungsfristen.
Welche aktuellen gesetzlichen Veränderungen gibt es im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung?
Im vergangenen Oktober hat der Bundestag die AÜG-Reform 2017 verabschiedet, die zum 01. April 2017 in Kraft getreten ist.
Die neuesten gesetzlichen Änderungen sind für die Gastronomie in den seltensten Fällen von Bedeutung, da die Leiharbeitnehmer hier meist nur über kurze Zeiträume eingesetzt werden. Denkbar sind beispielsweise wochenweise Krankheitsvertretungen oder sogar tageweise Mannschaftsverstärkung für ein besonderes Event. Generell ist das Ziel der Reform, Leiharbeitnehmer in Branchen mit längeren Einsätzen zu stärken und den Missbrauch von Werkverträgen in der Industrie einzudämmen.
Dennoch kann es vorkommen, dass man im „entliehenen“ Mitarbeiter Potenziale erkennt und diesen längerfristig beschäftigen will. Deshalb sollte man einige Details im Hinterkopf haben.
Die wichtigsten gesetzlichen Änderungen im Überblick:
1. Die zuvor unbegrenzte Überlassungsdauer wird auf eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten begrenzt. Wird der Leiharbeitnehmer nach diesem Zeitraum nicht abgezogen, kommt automatisch ein Anstellungsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher zu Stande.
2. Die zweite große Neuerung der AÜG-Reform ist das sogenannte „Equal Pay“ (Lohngleichheit). Im Rahmen der Reform ist eine Anpassung des Lohns des Leiharbeitnehmers an die Stammarbeiter des Kundenunternehmens nach spätestens neun Monaten vorgesehen. Ebenfalls ist eine stufenweise Anpassung des Gehaltes über 15 Monate darstellbar.
3. Weiterhin ist eine Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht im Rahmen der AÜ Vertragsgestaltung festgelegt worden. Im Rahmen der Begrenzung von Scheinwerk- und dienstverträgen muss eine Arbeitnehmerüberlassung zwingend als solche bezeichnet werden sowie der Name des Leiharbeitnehmers konkret hinterlegt werden
4. Zudem ist es den Unternehmen im Rahmen der Reform untersagt, Leiharbeitnehmer als Streikbrecher einzusetzen. Werden Betriebe also bestreikt, so ist dies nicht mit Arbeitnehmerüberlassung auszuhebeln. Bei Zuwiderhandlung droht dem einsetzenden Betrieb eine Geldbuße von bis zu 500.000 Euro.
Doch was sind die konkreten Motive und Anwendungsbeispiele der Arbeitnehmerüberlassung in der Gastronomie und Hotellerie?
Wie wird Arbeitnehmerüberlassung in der Gastronomie und Hotellerie gelebt? Welche Chancen bietet das Thema Zeitarbeit für das Gastgewerbe? Das alles wollen wir auf Basis geführter Experteninterviews genauer beleuchten. Unsere Interviewpartner waren:
- Matthias Recknagel – Operativer Geschäftsführer bei Buhl Gastronomie-Personal-Service GmbH
- Stefan Wilde – Bereichsleiter Fluss bei der ElbeZeit GmbH
- Jörg Honekamp – Geschäftsführer der JA Hotel & Restaurant GmbH und Betreiber des Big Mountain Restaurant & Hostel in Winterberg
Zeitarbeit aus Experten- und Nutzersicht
Matthias Recknagel berichtet uns, dass sich die Arbeitnehmerüberlassung in der Gastronomie derzeit einer hohen Beliebtheit erfreut. Dafür gebe es im Wesentlichen zwei Gründe: einerseits den derzeit schwierigen Personalmarkt des Gastgewerbes, andererseits den Bedarf nach temporärem Einsatz von entsprechenden Fachkräften.
Die Einsätze sind in etwa 95% der Fälle kurzfristig und relativ kurzweilig. Sprich: Die meisten Gastronomen suchen Personal für Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen oder Aushilfen für Zeiten von Geschäftsspitzen, wenn Unterstützung aufgrund von mangelndem Stammpersonal gefordert ist.
In diesen Fällen haben die im letzten Beitrag vorgestellten Gesetzesänderungen keine Relevanz. Ohnehin tritt „Equal Pay“ in der Gastronomie in den Hintergrund. Die meisten Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen verdienen nach Tarif und damit das Gleiche wie die angestellten Kollegen in den Entleiher-Betrieben. Oftmals wird sogar übertariflich entlohnt. Gründe hierfür finden sich im Bedarf des Marktes sowie in der Flexibilität, die die Branche fordert.
Diese Aussagen decken sich mit den Erfahrungen von Stefan Wilde. Auch er freut sich über die Möglichkeiten der Zeitarbeit in Fällen von Urlaub und Krankheit.
Dem saisonalen Geschäft der ElbeZeit GmbH kommt die Dienstleistung ebenfalls sehr entgegen. Neben allgemeinem Personalmangel in der Branche ist es aber auch das gewässerbedingt schwankende Geschäft, das uns immer wieder auf Aushilfen von Zeitarbeitsfirmen zurückgreifen lässt.
Bei Niedrigwasser auf der Elbe kann er die Schiffe nicht zu hundert Prozent auslasten. Quoten von 60-65% Auslastung sind hier nichts Ungewöhnliches und wären mit 100 % Stammbelegschaft nur schmerzhaft abzubilden. Dass viele der 5-10% Leiharbeitnehmer hier besser verdienen, ist ein offenes Geheimnis.
Herr Jörg Honekamp muss beim Big Mountain Resort in Winterberg neben dem saisonalen Geschäft noch eine weitere Herausforderung bewältigen:
In dem dünn besiedelten Gebiet, in dem unser Betrieb liegt, gibt es neben fehlenden Fachkräften auch keine Studierenden, die ja in städtischen Gebieten oft Nebenjobs in der Gastronomie suchen. Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen sind da eine praktikable Lösung.
Der grundsätzliche Mangel an Personal steht hier als Motiv im Vordergrund und führt zu einer Quote von 15-20% Leiharbeitnehmer im Betrieb. Die höheren Kosten für das Leihpersonal nimmt er dafür in Kauf.
Vor- und Nachteile für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?
Damit kommen wir zu einem zentralen und positiven Punkt: Die Kosten für das geliehene Personal sind pro Stunde etwas höher als beim Stammpersonal.
Die Quoten unterscheiden sich je nach Betrieb. Da der Entleiher aber nur die wirklich abgeleisteten Stunden bezahlt, ist die Dienstleistung gut kalkulierbar. Zudem ist laut unserer Experten deswegen auch das Lohnniveau der festangestellten Mitarbeiter bezogen auf die produktiven Stunden (alle vertraglich vereinbarten Stunden exklusive der Abwesenheitsstunden durch z.B. Urlaub, Krankheit etc.) mit dem Stundenlohn eines entliehenen Arbeitnehmers nahezu gleichwertig.
Parallel dazu finden Mitarbeiter mit entsprechenden Qualifikationen eine dauerhafte Beschäftigung beim Personaldienstleister. Laut Herrn Recknagel gibt Buhl in der Regel unbefristete Verträge aus.
Man könnte also sagen, dass Zeitarbeit auf Basis vieler Bedarfssituationen in unterschiedlichsten Betrieben dauerhafte Anstellungsverhältnisse erzeugt – zum Wohl beider Seiten.
Kann ich entliehenes Personal langfristig übernehmen?
Doch was ist, wenn der überlassene Arbeitnehmer so toll ist, dass man ihm am liebsten einen Vertrag anbieten möchte? Normalerweise gibt es hier eine vertragliche Regelung, die bereits bei Beginn der Arbeitnehmerüberlassung unterzeichnet wird. Der Vertrag sieht oft eine prozentuale Ablösesumme vor, die am zukünftigen Jahresgehalt des Mitarbeiters bemessen wird. Die Werte schwanken zwischen einem und vier Monatsgehältern. Das sollte Ihnen ein gut ausgebildeter Mitarbeiter jedoch wert sein. Nach Rücksprache mit dem Anbieter wird für gewöhnlich eine individuelle Lösung gefunden, mit der alle Seiten einverstanden sind.
Fazit: Arbeitnehmerüberlassung 2017
Mit der AÜG-Reform 2017 verändern sich die Rahmenbedingungen für
Arbeitnehmerüberlassungen in Deutschland. Für die Gastronomie und Hotellerie sind die Änderungen in den meisten Fällen nicht von Bedeutung, da sie erst nach einer Überlassungsdauer von 9 Monaten greifen. Konkret erfolgt eine Stärkung der Leiharbeitnehmer über eine Anpassung der Gehälter und die zeitliche Befristung der Einsätze.
Unabhängig von den gesetzlichen Änderungen sollte die Möglichkeit – den Kanal Personaldienstleistung zu nutzen – erörtert werden. Sowohl bei der Suche nach den so rar gesäten Fachkräften als auch beim Ersatz für kurzfristigen Ausfall lässt sich mit Zeitarbeit schnell Abhilfe schaffen und man kann ggf. sogar fähige Mitarbeiter rekrutieren. In zwei Wochen wollen wir das Thema vertiefen und interessante Anwendungsbeispiele aus der Gastronomie liefern.
Die Einsätze von Personal auf Zeitarbeitsbasis sind in der Gastronomie und Hotellerie wegen der aktuellen Marktsituation zur Normalität geworden. Die Motive sind verschieden: ob saisonales Geschäft, Sitz in einer strukturschwachen Gegend oder der Bedarf nach Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen. Diese Einsätze sind mehrheitlich kurzweiliger Natur und bieten ein höheres Maß an Flexibilität bei nahezu gleichwertigen Personalkosten.
Allgemein betrachtet scheinen die Vorteile – für alle Seiten – zu überwiegen. Betriebe, die auf Zeitarbeit zurückgreifen, bekommen Personal nach Bedarf, während Arbeitnehmer eine beständige Anstellung bei teilweise besserer Bezahlung erhalten. Zudem besteht die Chance, Personal zu übernehmen, welches man im operativen Geschäft schon kennenlernen durfte.
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Hinweis: Hierbei handelt es sich um unverbindliche Informationen. Die Autorinnen und Autoren übernehmen keinerlei Gewähr für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen, welche auch keine individuelle Rechtsberatung darstellen.
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